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Hey Big Spender

Der Bundesgesundheitsminister steht unter Druck. Alles, was in der Pandemie nicht funktioniert, wird Jens Spahn angelastet. Und das ist nicht gerade wenig. Als Stichworte mögen Maskenkauf und -vertrieb, Impfstoffbeschaffung und -verteilung, Teststrategie genügen. Angelastet werden dem Minister vor allem die Lücken zwischen Ankündigungen und Realität.

Dabei wird nur selten gefragt, ob es überhaupt seine Aufgabe ist, die operative Führung in der Corona-Krise zu übernehmen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass sich an der Spitze der politischen Pyramide die Bundeskanzlerin, Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die EU-Kommission, der Chef des Bundeskanzleramts sowie Partei- und Fraktionsvorsitzende drängen. Hinzu treten die immergleichen Experten in Sondersendungen und Talkshows, die mit Zahlen und Studien wedeln, die niemand mehr versteht. Dieser Personenkreis beansprucht die Entscheidungshoheit, will aber keine Verantwortung übernehmen.

Es grenzt schon an Hohn, wenn es heißt „Wir haben im Wesentlichen nichts falsch gemacht!“. In welcher Blase leben diese Männer und Frauen eigentlich?

Dabei hatte für Jens Spahn die laufende Legislaturperiode so gut begonnen. 20 Gesetze in 20 Monaten durchs Parlament gebracht. Das hatte vor ihm noch niemand geschafft. Dabei legte sich der Minister mit fast allen mächtigen Lobbygruppen im vermachteten Gesundheitswesen an.

Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen, Apotheker, Industrie – niemand war vor Überraschungen sicher. Spahn schlug gordische Knoten durch, die seit Jahren festgezurrt waren. Beispielhaft sei nur auf den Risikoausgleich zwischen den Krankenkassen oder auf die Auflösung der Blockaden in der digitalen Transformation verwiesen. Hier hat der Unionsmann Mut und Weitblick bewiesen. Hierfür gebührt ihm Lob und Anerkennung.

Aber Jens Spahn hat andere heiße Eisen in der Gesundheitspolitik nicht angefasst oder nicht geschmiedet. Das gilt etwa für die Neuordnung des Versicherungsmarkts, die Überwindung der Sektorengrenzen zwischen ambulant und stationär, die Neuordnung der Notfallversorgung oder die Entlastung der Pflegebedürftigen.

Hier hat der Minister populistische Ankündigungen gemacht, deren Realisierung er nicht garantieren konnte. Selbst medienwirksame Besuche in Mexiko oder dem Kosovo führten nicht zur Besetzung auch nur eines Bruchteils der angekündigten 13.000 Pflegestellen.

Bis heute stilisiert sich der Minister als Macher, obwohl sein Haus weder operative Kompetenz noch ausreichende Managementerfahrung hat. Das BMG bereitet Gesetze und Verordnungen vor; ausführen müssen diese andere Institutionen, über die der Minister keine Kommandogewalt hat. Dies mag dem Macher missfallen, ist aber Realität in einem föderalen Staatsaufbau mit starken Selbstverwaltungsstrukturen. Hier findet Jens Spahn seine Grenzen.

Vor allem ist Jens Spahn – unabhängig von den Auswirkungen der Pandemieder teuerste Gesundheitsminister in der deutschen Geschichte. Seine ambitionierten Gesetzesvorhaben werden in der Regel von den Beitragszahlern finanziert. Und wenn die Selbstverwaltung nicht mitzieht, wird sie ihrer Kompetenzen und finanziellen Rücklagen beraubt. Jeder Interessenskonflikt wird mit Geld erstickt. Wer am lautesten schreit und geschickt lobbyiert, bekommt den größten Batzen. Wie anders ist die Maskenverteilung über die Apotheken zu einer überzogenen Vergütung von sechs Euro pro Stück zu erklären, während der Discounter nebenan das gleiche Produkt für ein Euro anbietet. Der zeitweilige Finanzpolitiker hat die öffentlichen Kassen geleert.

Ab 2022, wenn der Big Spender zu neuen Ufern aufgebrochen ist, wird die Rechnung präsentiert. Und da ist die Pandemie noch nicht eingepreist. Hier wird man Jens Spahn noch viel verzeihen müssen.

Franz Knieps ist Jurist und Vorstand des BKK-Dachverbands. Der Beitrag gibt seine persönliche Auffassung wieder.

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