Veraenderungsrate der Leistungsausgaben pro Kopf-arzneimitte-importeure

Trotz Corona (noch) stabil

Die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung stehen unter Druck. Die Beiträge sind (noch) erstaunlich stabil. Aber in 2022 drohen 15–20 Mrd. Euro ungedecktes Defizit.

Seit dem 10. März liegen die Daten zur Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung im Pandemiejahr 2020 vor. Ausgaben in Höhe von knapp 262,6 Mrd. Euro standen Einnahmen aus Beiträgen und Steuermitteln in Höhe von 260 Mrd. Euro gegenüber. Es ergab sich somit ein Defizit von 2,6 Mrd. Euro, das aus den vorhandenen Reserven bei Kassen und Gesundheitsfonds gedeckt werden konnte. Dieses Defizit in Höhe von etwa 1 % der Ausgaben kann vor dem Hintergrund der schweren Pandemiekrise zunächst nur als vergleichsweise gering bezeichnet werden.

Wie schon in der Finanzkrise 2009/2010 zeigt sich in dieser Krise erneut die Vorteilhaftigkeit der Finanzierung über den Gesundheitsfonds. Die Kassen erhalten in jedem Fall die für das jeweilige Jahr zugesagte Finanzierung aus dem Fonds. Ohne dieses System würden Beitragsausfälle in einer ökonomischen Krise unmittelbar zu Beitragsanhebungen führen, was wiederum krisenverschärfend wirken würde. Auch im Rückblick also eine weise Entscheidung der Großen Koalition im Jahre 2007.

Kostenanstieg bei Ärzten und Arzneimitteln

Betrachtet man die großen Ausgabenbereiche, so ist zunächst festzustellen, dass die Krankenhausausgaben der GKV nur minimal (+1,7 %) angestiegen sind. Pandemiebedingt wurden viele sogenannte elektive Leistungen (Knie-, Hüft-, Rücken-OP…) nicht durchgeführt bzw. aufgeschoben, so dass die Kassen hier weniger Rechnungen zu begleichen hatten.

Zur Sicherung der Liquidität wurden den Kliniken knapp 10 Milliarden Euro aus Bundesmitteln gezahlt. Ersten Meldungen zufolge setzt sich der Trend sinkender Fallzahlen auch im laufenden Quartal fort. Vom „Normalzustand“, wie vor der Pandemie, kann noch keine Rede sein. Damit könnten viele Kliniken im laufenden Jahr in erhebliche Liquiditätsprobleme kommen.

Beim zweitgrößten Ausgabenposten, den Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung, meldet das BMG einen starken Anstieg von 7,3 %. Da jedoch die tatsächlichen Daten aus dem 2. Halbjahr 2020 noch nicht vorliegen, die Steigerungsrate damit auf Hochrechnungen der Kassen beruht, ist noch nicht sicher, ob das tatsächlich so stattgefunden hat oder pandemiebedingte Schwankungen dafür ursächlich sind.

Auch bei den Arzneimittelausgaben gab es pandemiebedingt erhebliche Schwankungen im Jahresverlauf und im Ergebnis einen Zuwachs von 5,4 % im Vergleich zum Gesamtjahr 2019. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Steigerungsrate ohne die Mehrwertsteuersenkung auf 16 % im 2. Halbjahr noch deutlicher ausgefallen wäre.

Da seit 1. Januar 2021 die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wieder 19 % beträgt, wird das erste Quartal dieses Jahres schon dadurch eine deutliche Steigerungsrate ausweisen. Umso wichtiger ist es natürlich, an bewährten Einsparinstrumenten wie den Rabattverträgen bei Generika, Festbeträgen und auch dem Parallelimport von Arzneimitteln festzuhalten.

Sozialversicherungsbeiträge stabil

Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass die Kalkulation des Ministers für das laufende Jahr (Sozialversicherungsbeiträge sollen unter 40 % gehalten werden) aufzugehen scheint. Das für 2021 zunächst berechnete Defizit von rund 16 Milliarden Euro sollte durch 5 Milliarden Euro zusätzlichem Bundeszuschuss, 8 Milliarden Euro Entnahme aus den Reserven der Einzelkassen („Sozialisierung“) sowie etwa 3 Milliarden Euro aus einer leichten Anhebung der individuellen Zusatzbeiträge der Kassen um 0,2 Prozentpunkte gedeckt werden.

Obwohl die beiden größten Kassen, TK und BARMER, um 0,5 bzw. um 0,4 Prozentpunkte anheben mussten, bleibt der gewichtete Gesamtanstieg unter dem Wert von 0,2 Prozentpunkten, er liegt bei 0,18 Prozentpunkten. Damit scheint das Finanzierungsproblem für das laufende Jahr gelöst.

Ungedecktes Defizit in 2022

Es bleibt aber beim bislang ungelösten Problem für das Jahr 2022, bei dem ein weiteres Defizit in Höhe von 15-20 Milliarden Euro droht, was bislang nicht gedeckt ist. Wer immer nach der Bundestagswahl die Leitung des Bundesgesundheitsministeriums übernimmt, steht dann tatsächlich vor der größten gesundheitspolitischen Herausforderung seit 2004.

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