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Fünf Punkte für die Gesundheitspolitik der kommenden Wahlperiode

Grenzschließungen, Exportbeschränkungen bei Arzneimitteln- und Medizinprodukten, Lieferengpässe oder gar temporär leergefegte Märkte für Schutzmasken oder Einmalhandschuhe, überlastetes Personal in Pflegeheimen und Krankenhäusern, Ausgabenexplosion, unterbesetzte Gesundheitsämter, die mit Fax arbeiten – man könnte die Liste plakativ noch weiter ausführen.

Corona hat schonungslos die Defizite des Netzwerkes im Gesundheitswesen aufgezeigt, welches mehr ein Flickenteppich als gut verknüpft zu sein scheint. Jegliche Koalitionsregierung wird sich nach der Wahl den Strukturen und der gesicherten Finanzierung annehmen müssen. Wir zeigen dazu 5 grundsätzliche Punkte auf.

1. Erhalt der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union

Gerade der Umgang mit der Pandemie hat gezeigt, dass eine Einschränkung des freien Verkehrs von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen sowie nationale Alleingänge eben nicht zu besseren Lösungen führt.
Kontrollen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs aus Infektionsschutzgründen mögen für eine gewisse Zeit eine von mehreren notwendigen adhoc-Maßnahmen sein. Jegliche Maßnahme muss jedoch stets notwendig und geeignet sowie verhältnismäßig sein.
Der gewachsene Europäische Binnenmarkt als eine der ökonomischen Grundlagen der nationalen Gesundheitssysteme hat jedoch
inzwischen einen so hohen Grad arbeitsteiliger Verflechtung erreicht, so dass zum Beispiel Import- oder Exportverbote nicht nur zwischen EU-Ländern leicht zum Zusammenbruch der globalen Liefer- und Versorgungsketten mit verheerenden Folgen führen.
Eine der Lektionen aus der Pandemie muss daher sein, die vier Grundfreiheiten grundsätzlich sicherzustellen. Dazu gehört auch der freie Verkehr von
Arzneimitteln im Europäischen Binnenmarkt. Hinter Forderungen, Arzneimittel vom freien Warenverkehr auszunehmen,
steckt ausschließlich der Versuch, Wettbewerb einzuschränken und kostensteigende Oligopole sowie die Gefahr künstlicher Verknappung zu Lasten der Patientinnen und Patienten zu zementieren.

2. Mehr (Qualitäts-)Wettbewerb als Steuerungsinstrument

Das deutsche Gesundheitswesen ist traditionell durch Gesetze, Verordnungen und auch Entscheidungen der Gemeinsamen Selbstverwaltung umfangreich reguliert. Institutionen wie der Gemeinsame Bundesausschuss, die vor 17 Jahren mit wenigen Beschäftigten gestartet sind, sind inzwischen zu einem zweiten Gesundheitsministerium angewachsen, weil der Gesetzgeber immer mehr Vorgaben für den G-BA verabschiedet hat.
So ist die Selbstverwaltung gezwungen, eine kaum noch überschaubare Flut von Richtlinien und Detailentscheidungen zu produzieren, dazu kommen immer enger werdende zeitliche und inhaltliche Vorgaben.
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass dies am Ende zu einer besseren Steuerung im Gesundheitswesen führt. Versuche jedoch, Entscheidungen der Selbstverwaltung durch staatliche Entscheidungen des BMG zu ersetzen, sind auch keine Lösungen. Das hat z.B. die Pandemiebewältigung an vielen Beispielen deutlich gezeigt.
Eine Lösung kann nur darin liegen, überbordende Detailregulierungen, z.B. bestehendeAuflagen für Selektivverträge zwischen Kassen und Leistungserbringern, zu entschlacken und so wieder für mehr Wettbewerb und weniger Bürokratie im System zu sorgen.

3. Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkeit auch durch Wettbewerb sicherstellen

In den beiden größten Ausgabenbereichen des Gesundheitswesens – Krankenhausversorgung und ambulant ärztliche Versorgung – sind strukturelle Reformen unabdingbar. Beide Bereiche müssen auf grundlegende Trends wie Alterung der Gesellschaft, mehr multimorbide und chronisch Kranke, Ambulantisierung der Medizin, etc. neu ausgerichtet werden.
Im drittgrößten Ausgabenbereich der Arzneimittelversorgung sorgen die patentgeschützten Medikamente bei ca. 20% Versorgungsanteil für ca. 80 % der Kosten.

Importierte Originale tragen hier maßgeblich zur Wirtschaftlichkeit bei. Der Wettbewerbsdruck durch parallelimportierte Arzneimittel sorgt für direkte und indirekte Einsparungen in Milliardenhöhe, wobei sicherlich noch weitere Einsparpotenziale gehoben werden könnten. Der Parallelimport sorgt dafür, dass mit und nicht am Arzneimittel gespart wird, indem Originale preisgünstiger abgegeben werden können.

4. Vorteile der Digitalisierung in Patientennutzen umsetzen

In dieser Legislaturperiode wurden viele Jahre alte Versäumnisse endlich angepackt und mit einer Reihe von Gesetzen die Grundlagen für die längst überfällige Digitalisierung und Modernisierung des deutschen Gesundheitswesens gelegt. Jetzt kommt es darauf an, die neuen Möglichkeiten in die Praxis umzusetzen und die vielen Vorteile von elektronischen Patientenakten, elektronischen Rezepten, Digitalen Gesundheitsanwendungen, Telemedizin, etc. für Patientinnen und Patienten endlich nutzbar zu machen.
Vielleicht sorgen gerade die großen Probleme eines „Papier- und Fax-Gesundheitswesens“ im Umgang mit der Pandemie dafür, dass noch vorhandene Widerstände und teilweise ins Extreme getriebene Datenschutzanforderungen bzw. vorgeschobene Bedenken aus Eigeninteresse der Leistungserbringer schwächer werden und das deutsche Gesundheitswesen endlich im 21. Jahrhundert ankommt. Der Keller ist gebaut – das Gebäude kann jetzt darauf errichtet werden!

5. Vor -Ort-Apotheken stärken

Die Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, dass eine flächendeckende und damit wohnortnahe Arzneimittelversorgung über die Apotheken auch in der Krise funktionierte und von großem gesellschaftlichem Wert ist.
Gerade unter den Bedingungen der Digitalisierung (ePA, Medikationsplan, eRezept, ...) müssen die Vorteile der Vor-Ort-Apotheken für die Patientinnen und Patienten erhalten und gestärkt werden. Hier finden gerade die Älteren niedrigschwellig die nötige Zuwendung und Beratungskompetenz, zum Beispiel hinsichtlich der Risiken bei Multimedikation und unerwünschter Nebenwirkungen. Vor-Ort-Apotheken sind dazu bestens in der Lage und sorgen zudem für wirtschaftliche und gesicherte Versorgung.
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