huerde schmal

Kommentar zur Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung

Als eine der letzten Maßnahmen der Großen Koalition konnte die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2022 mit einem fast verdoppelten Bundeszuschuss von 28,5 Milliarden Euro ohne Anhebung der Beitragssätze stabilisiert werden. Bundesmittel in dieser Höhe stehen jedoch nur für dieses Jahr bereit, in 2023 sinkt der Bundeszuschuss wieder auf die „normale“ gesetzliche Höhe von 14,5 Milliarden Euro ab. Daraus ergibt sich dann die inzwischen bekannte Finanzierungslücke in einer Größenordnung von mindestens 17 Milliarden Euro. Zwar ist die Einnahmenseite des Gesundheitsfonds der GKV nach den jüngsten Quartalszahlen etwas mehr gestiegen (um 4%) als ursprünglich erwartet. Angesichts der möglichen ökonomischen Folgen des Krieges in der Ukraine besteht hier jedoch größere Unsicherheit, so dass es weise ist, bis zu einer finalen Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren im Oktober noch zuzuwarten.

Wenn wie angekündigt der Entwurf des BMG für das GKV Finanzierungsgesetz bis Anfang August vom Kabinett als Gesetzentwurf verabschiedet wird, kann der Schätzerkreis Anfang Oktober die Vorschläge der Regierung berücksichtigen. Gibt es bis zum Termin des Schätzerkreises immer noch keinen Kabinettsbeschluss (oder eine 1. Lesung im Bundestag), müsste er eine Beitragssatzsteigerung von einem vollen Prozentpunkt (oder mehr) verkünden.

Der Koalitionsvertrag bietet nicht viele Ansätze, die Finanzlücke zu schließen. Vorschläge, wie die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel oder die „kostendeckenden Beiträge“ für ALG-II-Empfänger hatten keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Bei letzterem war lediglich von „höheren“ Beiträgen (aus Steuermitteln) die Rede, selbst das konnte gegen Lindner (und Heil) nicht durchgesetzt werden. Vor dem Hintergrund der durch Preissteigerungen noch verstärkten Liquiditätsprobleme der Kliniken sind auch kaum Kostensenkungen im Krankenhaussektor vorstellbar, so dass das BMG lediglich 3 Mrd. Euro durch „Bereinigungen“ bei Ärzten und Apothekern sowie durch eine „Solidaritätsabgabe“ der forschenden pharmazeutischen Industrie „zusammenkratzen“ konnte.

Wie schon erwähnt, verlängert die Energiepreisexplosion etc. die schon länger bestehende Unsicherheit über mögliche Einnahmeverbesserungen der Sozialversicherung durch Zuwächse bei Löhnen, Gehältern und Renten sowie durch eine wieder wachsende Beschäftigung. Entsprechende optimistische Prognosen der Wirtschaftsinstitute mussten bereits deutlich nach unten korrigiert werden. Die Einnahmeseite bietet daher aller Voraussicht nach auch keinen verlässlichen Ausweg.

Vor diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, dass die GKV durch gesetzliche Maßnahmen „nur aus eigener Kraft“ ohne Beitragsanhebungen in das Jahr 2023 starten kann. Die vom Minister vorgelegten Eckpunkte sehen denn auch eine Anhebung der Beiträge um 0,3 Prozentpunkte vor; womit die in den vergangenen Jahrzehnten wie eine Monstranz hochgehaltene Grenze von „40 Prozent“ für die Sozialversicherungsbeiträge Geschichte ist. Karl Lauterbach hat seinem Vorgänger das ererbte Defizit vorgeworfen, was in den Jahren 2021 und 2022 nur durch punktuelle Maßnahmen gedeckt werden konnte. Er selbst setzt das jedoch genauso fort. Im nächsten Jahr müssen die gleichen Fragen erneut diskutiert werden.

 

Bild: istockphoto.com/SergeSirot

Nach oben scrollen